„Durch ein Auslandssemester verlängert sich Dein Studium doch noch länger – was willst Du überhaupt dort? Und finanziell unterstützen können wir Dich einfach nicht“. Als ich Anfang 2015 meinen Eltern von der Idee erzählt habe, dass ich ins Auslandssemester gehen will, war das ihre erste Reaktion. Und auch mir war plötzlich nicht mehr klar: Soll ich das wirklich machen? Kann ich mir das leisten? Komme ich in der Uni klar? Reicht es nicht, dass ich als Erster in der Familie studiere, ist dann das Auslandssemester nicht zu viel?
Am Ende des zweiten Semesters stellte sich für meine Kommilitonen die Frage, wo es denn hingehen sollte im Auslandssemester, was in Köln normalerweise im 4. Semester ansteht. Ich allerdings hatte nicht so richtig viel Interesse an fremden Ländern – Urlaube hatten wir schließlich immer an der Ostsee verbracht und den Austausch in der Oberstufe konnte ich bzw. meine Familie nicht finanzieren. Da sich aber alle meine Freunde schließlich dazu entschieden, sich für das Austauschprogramm der Uni zu bewerben, hatte ich am letzten Tag der Deadline noch schnell die Prioritäten der Unis ausgewählt und das hauptsächlich basierend auf den Fotos der jeweiligen Skylines bei Google. Shanghai, Tokio, Bangkok – wenn dann sollte es Asien werden.
Tatsächlich hatte ich 4 Wochen später die Zusage für ein Auslandssemester in Shanghai und musste innerhalb von ein paar Tagen meine Teilnahme bestätigen. Während meine Kommilitonen bereits wussten, dass sie ihren Platz annehmen und schon die Reisen drumherum planten, wusste ich gar nichts.
Wie soll ich das finanzieren? Ist mein Englisch gut genug? Was habe ich davon? Wird es mir überhaupt gefallen? Werde ich es in der Uni schaffen? Lieber ein Semester ins Ausland oder in der Regelstudienzeit das Studium durchkriegen?
Meine Eltern hatten da eine klare Meinung: Vom 8000 Einwohner Dorf nach Köln, das war schon ein großer Sprung, den sie mir nicht so richtig zugetraut hatten, aber nach China? Meine Oma fragte unglaubwürdig, ob da nicht aktuell Krieg herrsche. Zu der Zeit sprach ich auch mit ein paar Kollegen aus dem Nebenjob. Auch dort wurde mir eher nahegelegt, schnell das Studium durchzuziehen – mit 6 Monaten Pause könnte ich dort nicht nochmal gut wieder einsteigen. Und für mich war klar: Finanzieren muss ich das gesamte Vorhaben komplett selbst.
Der finanzielle Aspekt war sehr schnell abgehakt. Durch die Bafög-Förderung wurden sogar Hin- und Rückflug gezahlt, für die Unterkunft und das tägliche Leben dürfte es ebenso reichen. Nur Geld für zusätzliche Reisen müsste ich noch ansparen, das klingt machbar. Nur die Frage ob so ein Auslandssemester einem wirklich was bringt, war mir noch nicht klar, als ich in den Flieger gestiegen bin.
Meine Kommilitonen wussten von ihren älteren Geschwistern oder ihren Eltern, dass so etwas „kulturell bereichert“ und „einen Weltblick verschafft“ – was das heißt habe ich allerdings erst jetzt verstanden.
Auf der einen Seite hat es – auch wenn es sehr klischeehaft klingen mag – meinen persönlichen Horizont erweitert. Wie leben, lernen, essen, arbeiten Menschen in einem anderen Land? Wie ist es in einer Studierendengruppe aus 4 Kontinenten zu arbeiten? Wenn der chinesische Kommilitone von der „kleinen Stadt“ mit 7 Mio. Einwohnern erzählt, kann man sich erschließen, was das auch für die wirtschaftliche Stärke Chinas bedeutet. Wenn die zwei Wanderarbeiter im Nachtzug von Shanghai nach Peking Hühnerfüße anbieten, ist das nicht für jeden was, aber man hat es mal probiert. Auf der chinesischen Mauer stehen und selbst auf dem höchsten Gipfel kein Ende zu sehen, war beeindruckend.
Auf der anderen Seite hat es mir in meiner Karriere geholfen. Ein Auslandssemester kann sowohl direkt als auch indirekt viele Türen öffnen bzw. andersherum bleiben viele Türen zu, wenn man keins macht. Indirekt hat es mir oft geholfen in Bewerbungsgesprächen, wenn Fragen zu Sprachen, Neugier, Ungewohntem kamen. Wie gehen Sie mit Problemen in der Teamarbeit um? Warum sollten wir Ihnen die Stelle geben? In solchen Situationen konnte ich mich oft auf Erfahrungen aus dieser Zeit beziehen. Zusätzlich verbessert man auch im nichtenglischsprachigen Ausland sein Englisch und ist somit ruhiger und entspannter, wenn der Gesprächspartner plötzlich die Sprache wechselt.
Gleichzeitig ist ein Auslandssemester aber auch direkt verbunden mit den Karrierechancen. In den Ausschreibungen renommierter Firmen findet man Auslandserfahrung immer öfter bei den Grundvoraussetzungen und es gilt nicht mehr als ein Punkt, durch den man sich entscheidend differenzieren kann. Auch nach dem Berufseinstieg helfen diese Erfahrungen: Als ich als Unternehmensberater letztes Jahr zufällig für ein kurzes Projekt nach China geschickt wurde, konnte ich einen deutlich besseren Draht zu dem Klienten aufbauen, da er sofort gemerkt hat, dass ich zumindest grundlegend seine Kultur verstehen kann.
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